Wie kläre ich die Umwelt auf, dass mein Kind durch eine Samenspende entstanden ist? Soll ich die Erzieher in der Kita, die Lehrer in der Schule, die anderen Eltern gleich darüber informieren? Welche Worte wähle ich dafür, bei welcher Gelegenheit suche ich das Gespräch? Muss ich das jedem auf die Nase binden? Wie reagieren die anderen Kinder? Gewissensfragen für alle Solomütter. Manchmal ist die Realität viel unspektakulärer.
Schulhofgespräche, Teil 1
Vier Mädchen beim Bäcker neben der Grundschule. Die wunderbarste Tochter der Welt ist die Neue in der Vierergang und wird ausgefragt: „Hast du wirklich keinen Vater?“
„Nein, habe ich nicht.“
„Aber das geht doch nicht, sonst kann doch kein Kind entstehen.“, hakt die fast Achtjährige nach.
„Nee, meine Mutter hat einfach einen Mann gefragt.“
Thema erschöpfend abgehandelt.
Schulhofgespräche, Teil 2
Die wunderbarste Tochter der Welt ist neu in der Schule. Sie hat sich mit einer Zweitklässlerin angefreundet, die den gleichen Schulweg hat. Wir sind gemeinsam auf dem Heimweg, die Schulfreundin mit Mutter und kleinem Bruder und wir beide. „Wieso hat L. keinen Papa? Jeder hat doch einen.“, wendet sich die Siebenjährige an mich.
„Nein, L. hat wirklich keinen. Das gibt es.“
Die Mutter, mit der ich bisher noch nie gesprochen habe, mischt sich ein: „Ja, das gibt es. Das ist wie bei Katrin und Andrea, weißt du.“
„Hm, aber L. hat doch keine zwei Mütter?“, fragt das Kind nach.
„Nein, hat sie nicht“, bestätige ich, „ das geht auch mit einer Mutter alleine.“
„Ach so.“, sagt das Kind.
Keine weiteren Fragen.
Schulhofgespräche. Teil 3
Die wunderbarste Tochter der Welt muss nach der Schule unbedingt noch auf dem Schulhof spielen. Ich unterhalte mich mit einer anderen wartenden Mutter. Wir kennen uns seit Jahren vom Sehen, wissen aber kaum etwas voneinander.
„Was ist eigentlich mit dem Vater deiner Tochter? Ich habe ihn noch nie gesehen.“, fragt sie.
„L. hat keinen Vater. Sie ist durch eine Samenspende entstanden.“ Satz 1 ist meine Standardantwort, Satz 2 ist die ausführlichere Standardantwort. Mehr erzähle ich ungefragt nicht. Wer mehr wissen will, fragt nach.
Sie fragt nach, und, wie sich herausstellt, weniger aus allgemeiner Neugierde als aus persönlichem Interesse. Innerhalb der nächsten Viertelstunde erfahre ich, dass sie seit Jahren von dem Vater ihres Sohnes getrennt ist, sich aber schon immer mehrere Kinder gewünscht habe, dass sie seit Jahren darüber nachdenkt, ob sie es nicht vielleicht auch allein angehen könnte, doch sie traue sich nicht so recht … Ich biete ihr an, ihre Fragen zu beantworten, und erwähne, dass ich ein Buch darüber geschrieben habe. Sie hat das Buch längst gelesen, sie hatte nur nicht realisiert, dass ich die Autorin bin.
Überall sind sie versteckt, die Singlefrauen mit Kinderwunsch. So viele, die sich nicht trauen.