Gelesen: „Unsere Familie“ von Petra Thorn

Wenn es um Aufklärung geht, suchen die meisten Eltern nach den richtigen Worten oder hoffen insgeheim darauf, dass Peergroup und Medien das schon irgendwie erledigen. Soweit es die Sache mit den Bienen und den Blüten betrifft, klappt das auch meist, interessant wird es aber, wenn mehr gefragt ist als nur, wie das mit der Befruchtung nun funktioniert.

solo-mom-print-dtsch-770x770

Die Aufklärung von Kindern, die durch Samenspende entstanden ist, ist ein sensibles Thema. Alle Experten sind sich einig, dass eine frühzeitige Aufklärung sehr wichtig ist. Es gibt wenige Bücher, die den Eltern dabei helfen, die meisten stammen aus den USA, Dänemark und Schweden. In den Kreisen der Solomütter kursieren handgemachte Übersetzungen dazu. Neben der sprachlichen Hürde geht es in diesen Büchern auch sehr oft um die Konstellation zweier Mütter, also nicht die Familiensituation, in der Kinder von Frauen, die sich als Single für ein Kind entschieden haben, aufwachsen.

In Deutschland ist die Familientherapeutin Petra Thorn die Einzige, die Aufklärungsbücher für Kinder, die durch künstliche Befruchtung und/oder Samenspende entstanden sind, herausgibt. In jedem der Bücher geht Petra Thorn auf spezifische Formen der Familienbildung ein. Das erste Buch ist für Kinder bestimmt, die durch Spendersamenbehandlung in einer heterosexuellen Beziehung entstanden sind (Die Geschichte unserer Familie. Ein Buch für Familien, die sich mit Hilfe der Spendersamenbehandlung gebildet haben, 2006). Es folgten ein Buch für Kinder, die mit zwei Müttern aufwachsen („Die Geschichte unserer Familie. Ein Buch für lesbische Familien mit Wunschkindern durch Samenspende“, 2009) und eines für Kinder, die durch künstliche Befruchtung entstanden sind („Woher manche Babys kommen. Ein Erklärungs- und Aufklärungsbuch für Kinder, die mit medizinischer Unterstützung gezeugt wurden, 2011).

Das neueste Buch dieser Reihe in der gewohnten quadratischen Form wendet sich nun konkret an Kinder, die mit einer Solomutter leben. Es heißt „Unsere Familie. Ein Buch für Wunschkinder nach Samenspende, die mit ihrer Solo-Mutter aufwachsen“ und ist bereits vor einigen Monaten erschienen. Coautorin ist Margaret Ritter, selbst Solomutter und Autorin des Buches „Wo der Nordwind weht“. Das Buch für Solomütter wendet sich an kleine Kinder, es ist ideal für Zwei- bis Fünfjährige zum Vorlesen und Anschauen. Pro Seite gibt es höchstens einen kurzen Satz, den Rest nehmen die großflächigen, farbenfrohen Illustrationen von Tiziana Rinaldi ein.

„Du wolltest doch wissen, woher die Babys kommen“, so werden die Kinder eingeladen, auf Entdeckungsreise zu ihrer Entstehungsgeschichte zu gehen, „was glaubst du denn? Hat dich eine Fee gebracht?“ Schritt für Schritt werden die Kinder auf dieser Reise an die Hand genommen. Großartig finde ich das grinsende Ei, das auf seine Befruchtung wartet. Sprache und Bilder sind kindgerecht. Kurz und knapp und schnell erzählt. Manch einem Kind reicht das völlig als Information, andere werden nachfragen und die Mütter können die Geschichte ausbauen.

Die bewusst einfach aufgebaute Story ermöglicht eine Individualisierung des Buchs. Vorn ist Platz für ein Foto von Mutter und Kind, denn „in diesem Buch geht es um uns beide“. Und auch der Tatsache, dass Solomütter unterschiedliche Wege zum Kind gehen, ist Rechnung getragen: Zwei Seiten des Buches sind doppelt vorhanden, sie erzählen die Geschichte einmal in der Variante „Singlefrau und (private) Samenspende“ und einmal in der Variante „Singlefrau und Kinderwunschklinik/Samenbank“. Die jeweils nicht zutreffenden Seiten können herausgetrennt werden. Oder auch nicht, falls die Solomutter gemeinsam mit einem privaten Samenspender in einer Kinderwunschklinik war.

Das Buch richtet sich auch an die Mütter und die anderen Bezugspersonen des Kindes, will ihnen ihre Unsicherheit bei der Aufklärung nehmen. Den meisten Solomüttern ist klar, dass Offenheit wichtig ist, doch wenn es konkret wird, werden sie doch unsicher, wann und wie sie ihrem Kind erklären sollen, dass es zwar einen genetischen Erzeuger, aber keinen Vater hat. In einem ausführlichen Vorwort gehen die Autorinnen auf diese besondere Form der Familiengründung ein. Den Anhang des Buches bilden zwei Erfahrungsberichte von Solomüttern, die ihre persönliche Geschichte mit den Leserinnen teilen, ein Identifikationsangebot für die Mütter.

Ein wichtiges Buch für alle Solomütter und ihre Wunschkinder. Es kostet 26 Euro und ist auch als E-Book erhältlich.

Bibliografische Angaben:

Thorn, Petra/Ritter, Margaret: Unsere Familie. Ein Buch für Wunschkinder nach Samenspende, die mit ihrer Solo-Mutter aufwachsen. Mörfelden: FamArt, 2015.

Weiterlesen:
Diesen Artikel teilen:

Ein Gedanke zu „Gelesen: „Unsere Familie“ von Petra Thorn“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>