Gelesen: „Eine Familie mit Samenspende gründen“

„Samenspende!?! Das ist doch nichts für uns!!!“ Mit vielen Ausrufezeichen stimmen die Autorinnen auf dem Cover auf das Thema des Ratgebers ein.

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Das Buch richtet sich an Menschen, die sich zum ersten Mal mit Samenspende als Möglichkeit der Familiengründung beschäftigen. In ihrer täglichen Praxis erleben die Autorinnen, dass in der Beratung und in den einschlägigen Internetforen immer wieder die gleichen Fragen auftauchen, wenn Menschen beginnen, über Samenspende als Option nachzudenken. So entstand die Idee für ein „Einsteiger-Buch“, in dem die grundlegenden Fragen behandelt werden sollten. Die Autorinnen sind beide in der Beratung tätig, Judith Zimmermann als Ärztin und Systemische Therapeutin, Doris Wallraff als Psychologin und Systemische Therapeutin.

Das Buch, im gewohnten quadratisch-praktisch-guten Format des FamArt-Verlags, in dem auch die Aufklärungsbücher für Kinder erschienen sind, richtet sich an „alle, die über eine Samenspende nachdenken“, also an die zukünftigen Eltern. In den einzelnen Kapiteln werden alle Fragen angeschnitten, die bei einer Familiengründung durch Samenspende wichtig sind, begonnen bei der Entscheidung („Ist das der richtige Weg?“) über die Auswahl von Spender, Arzt und Behandlungsmethode, die „emotionale Achterbahn“ einer Kinderwunschbehandlung bis hin zur Entwicklung und Aufklärung der Kinder.

Der Ratgeber beschäftigt sich auch mit Alternativen zur Familiengründung durch Samenspende. In dem Kapitel „Was tun, wenn es nicht klappt?“ geht es um die Suche nach den Ursachen sowie um die Zeit, die nötig ist zum Trauern, sich von diesem Lebensplan zu verabschieden. Gleichzeitig werden Alternativen der Familiengründung kurz vorgestellt: Adoption, Aufnahme von Pflegekindern und Embryonenadoption. Ein weiteres Kapitel widmet sich der Unterstützung, die (zukünftige) Eltern durch den Austausch mit anderen erfahren können – genannt werden Netzwerke wie das DI-Netz, Onlineforen wie wunschkinder.net oder kleinputz.net, Selbsthilfegruppen und die psychosoziale Beratung durch Fachkräfte. Auch das Forum zum Austausch für Singlefrauen mit Kinderwunsch ist mit aufgeführt.

Die Texte der Autorinnen informieren in allgemein verständlicher Sprache sachlich über einzelnen Themenfelder, die Fragen, die es im Vorfeld zu bedenken gibt, und die Probleme, die auftauchen könnten. Fachbegriffe und Abkürzungen werden im Text sowie in einem Glossar im Anhang erklärt. Das Buch setzt auf Lesbarkeit, nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch. In hellgrünen und lila Textfeldern werden zusätzliche Hinweise und Tipps gegeben, in denen einzelne Fakten noch einmal hervorgehoben oder zusammengefasst werden. Oder in denen klassische Fragen, die in jedem Internetforum regelmäßig gestellt werden, beantwortet werden, zum Beispiel, wie lange und bei welcher Temperatur frisches Sperma aufbewahrt werden darf (Antwort: eine halbe Stunde und körperwarm). Dazwischen stellen kurze Comicstrips von Doris Wallraff einige Situationen im Kinderwunschalltag noch einmal zeichnerisch dar.

Neben den Therapeutinnen kommen auch viele Betroffene zu Wort und schaffen so für die Leser einen ganz persönlichen Bezug zu den Inhalten. Die kurzen Erfahrungsberichte, Eindrücke oder Gefühle sind farblich vom „theoretischen“ Teil des Ratgebers abgegrenzt: Die Textfelder in altrosa und dunkelgrün fallen gleich ins Auge und heben sich zusätzlich durch eine von Doris Wallraff beigesteuerte Illustration des jeweils Sprechenden von den Infokästen ab. Im Kapitel zur Auswahl des Samenspenders kommt beispielsweise „Daniel“ zu Wort: „Für mich war es sehr schwierig, so wenig über den Samenspender zu erfahren. Ich habe mir häufig überlegt, was das wohl für ein Mensch ist und ob ich ihn sympathisch finden würde.“ Gedanken, mit denen sich sicher viele Männer und Frauen, die eine Samenspende in Anspruch nehmen, identifizieren können.

Im vorletzten Kapitel des Ratgebers beantwortet Petra Thorn, Familientherapeutin mit Schwerpunkt Kinderwunschberatung, „knifflige Fragen“, die wohl zum Teil in den einzelnen Kapiteln zu weit geführt hätten und dennoch wichtige Aspekte rund um die Samenspende betreffen. Hier werden die farbigen Kästchen mit den gezeichneten Avataren für die Fragen genutzt. Gefragt wird unter anderem nach Spenden innerhalb der Verwandtschaft, danach, ob Geschwister vom gleichen Spender abstammen sollten oder wie man Halbgeschwister finden kann.

Der Ratgeber schließt eine Lücke, denn allzu viele Bücher zum Thema Samenspende gibt es nicht in deutscher Sprache, und keiner der wenigen zuvor erschienenen Ratgeber hat mich bisher überzeugt. Der vorliegende Ratgeber ist da tatsächlich eine Ausnahme. Er informiert unter dem selbst gestellten Motto „verstehen – entscheiden – handeln“ wirklich fundiert und umfassend. Natürlich kann auch dieses Buch nicht alle auftretenden Fragen beantworten. Aber es reißt die wichtigsten Fragen an und stellt sie allgemein verständlich dar – ein großes Plus. Die Autorinnen wollen mit ihrem Buch bei der „Kursbestimmung“ helfen“ und keine Beratung – sei es medizinisch, juristisch oder psychosozial – ersetzen. Eine gute Grundlage für gründliches Nachdenken und eine tiefergehende Beratung liegt jedenfalls damit vor.

Bibliografische Angaben:

Zimmermann, Judith / Wallraff, Doris: Eine Familie mit Samenspende gründen. Praktische Informationen für alle, die über eine Samenspende nachdenken. Mörfelden: famart 2016.

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